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Brandgefährlich: Tiere vor den Flammen schützen
Foto: A.Farkas/afi
Brandgefährlich: Tiere vor den Flammen schützen
Zum Brand in Europas größter Ferkelzuchtanlage in Alt Tellin (Mecklenburg-Vorpommern) vor einem Jahr erklären Renate Künast, Sprecherin für Ernährung und Landwirtschaft, und Zoe Mayer, Berichterstatterin für Tierschutz:
Fast 60.000 Tiere fanden vor einem Jahr einen qualvollen Tod, weil der Brandschutz in Europas größter Schweinezuchtanlage nicht ausreichend berücksichtigt wurde. An den tragischen Tod zehntausender Lebewesen erinnern wir gemeinsam mit Anwohnerinnen und Anwohnern, Tierschutz- und Umweltverbänden. Eine Brand-Katastrophe wie in Alt Tellin darf sich nicht wiederholen.
Leider sind Stallbrände keine Seltenheit. In Deutschland gibt es durchschnittlich sechs Stallbrände pro Tag. Zur Vermeidung solcher Brände hat sich die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Rechtsvorschriften zum Schutz vor Bränden und technischen Störungen in Ställen zu verbessern. Bisher sind die brandschutzrechtlichen Anforderungen an Tierhaltungsanlagen sehr unkonkret. Zudem gibt es bislang auch keine nach dem Tierschutzgesetz mögliche bundeseinheitliche Brandschutzverordnung. Der im Grundgesetz verankerte Tierschutz erfordert besseren Brandschutz in Ställen mit ausreichend Platz, Auslauf und Tageslicht. Eine Rettung der Tiere aus dem Stall muss bei jedem neu gebauten Stall zu jeder Zeit möglich sein.
In dieser Woche tagen die zuständigen Fachministerinnen und Fachminister von Bund und Ländern bei der Agrarministerkonferenz in Magdeburg. Dort wird der Ergebnisbericht der im vergangenen Jahr nach dem Brand in Alt Tellin eingesetzten Ad-hoc-Arbeitsgruppe beraten, um Schlussfolgerungen aus solchen Brandvorfällen in Tierhaltungsbetrieben zu ziehen. Nun braucht es zeitnah eine klare und verbindliche Rechtsverordnung, die die Tiere schützt und nicht die Profitinteressen der Eigentümerinnen und Eigentümer.
Deutscher Tierschutzbund fordert Systemwechsel
Angesichts des Rückstaus von Schweinen in Mast- und Aufzuchtbetrieben fordert der Deutsche Tierschutzbund eine Abkehr vom nicht krisensicheren System der Schweine-„Produktion“. Maßnahmen, wie die von Bundesministerin Julia Klöckner geforderte Schlachtung an Wochenenden und Feiertagen lösten das Problem nicht langfristig. Akute Auslöser für den „Schweinestau“ in den Ställen sind die durch Corona eingeschränkten Schlacht- und Zerlegekapazitäten sowie die Afrikanische Schweinepest (ASP), welche die Abnahme der Schweine und den Absatz des Fleisches erschwert.
„Das bestehende System der Agrarindustrie mit seiner eng getakteten und allein am Profit orientierten Intensivtierhaltung stößt an seine Grenzen. Die derzeit dramatische Lage zeigt: Das System ist nicht krisensicher. Lediglich die Schlachtkapazitäten zu erhöhen, wird langfristig nicht helfen. Der Systemwechsel, der insbesondere mit der Reduzierung von Beständen einhergehen muss, ist lange überfällig und dringender denn je, da ein Ende der Schwierigkeiten durch Corona und die ASP nicht absehbar ist. Die Ferkelerzeugung muss jetzt heruntergefahren werden. Ebenso braucht es eine Flächenbindung der landwirtschaftlichen Tierhaltung, eine Dezentralisierung und eine Abkehr von der Exportorientierung“, fordert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
In konventioneller Haltung leben Schweine auf sehr engem Raum, der durch die derzeitige Überbelegung weiter schrumpft. Zu viele Schweine in einer Bucht konkurrieren um Ressourcen, wie Platz, Futter und Wasser oder Beschäftigungsmaterial. Durch die massive Überbelegung verschlechtert sich auch die Luftqualität; Schadgaswerte können ansteigen, was die Atemwege belastet und die Gesundheit der Tiere gefährdet. Eine solche Situation bedeutet Stress und kann auch zu Verhaltensstörungen und gesteigerter Aggression und damit Verletzungen führen. Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes muss jedoch für jedes Schwein der Zugang zu den notwendigen Ressourcen gewährleistet sein. Reichen die Fressplätze nicht mehr aus, muss beispielsweise eine Bodenfütterung Abhilfe schaffen. Eine weitere Vergrößerung des Rückstaus müsse kurzfristig und mit vereinten Kräften unter anderem durch die Wiederherstellung des normalen Arbeitsbetriebs in Schlacht- und Zerlegeunternehmen verhindert werden — immer unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzes und der Hygieneregeln. Nichtsdestotrotz müsse jetzt an den großen Stellschrauben gedreht werden, um in Zukunft eine resiliente Form der Landwirtschaft zu ermöglichen. Hier sieht der Verband die Politik in der Pflicht.
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