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Die Unruhe vor dem Sturm
Ostfriesische Wirtschaft blickt besorgt in die Zukunft
Die wirtschaftliche Entwicklung im Bezirk der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg (IHK) ist von großen Unsicherheiten mit Blick auf den bevorstehenden Winter geprägt. Nachdem die Wirtschaft im letzten Sommer wieder Fahrt aufgenommen hatte, sinkt die Stimmung seit dem letzten Winter kontinuierlich ab. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage, bei der die Unternehmen zu ihrer aktuellen Geschäftslage und zu den Erwartungen für die kommenden Monate befragt werden. Der IHK-Konjunkturklimaindikator, der die aktuelle Geschäftslage und die Zukunftsaussichten der Unternehmen in einem Wert zum Ausdruck bringt, sank im dritten Quartal 2022 auf 57 Punkte und damit nur 9 Punkte über dem Allzeittief von 48 Punkten zu Beginn der Corona-Pandemie. „Wir verspüren eine ähnliche Verunsicherung in allen Branchen wie zu Beginn der Corona-Pandemie. Damals ging es um einen zeitlich befristeten Konjunktureinbruch. Jetzt geht es darum, dass für viele Unternehmen mit Blick auf Probleme in der Energieversorgung und bei den Energiepreisen ein endgültiger Fadenriss droht und wir in Deutschland den Anschluss verlieren“, so IHK-Präsident Dr. Bernhard Brons.
Er appelliert an die Politik, dass die beschlossenen Maßnahmen möglichst schnell und konsequent umgesetzt werden: „Die Zeit des Zögerns ist vorbei, der angekündigte ‚Doppelwumms‘ muss nun spürbar bei den Betrieben aber auch bei den Konsumenten ankommen.“
Vor allem die Energieversorgung müsse auf sichere Füße gestellt werden. Brons: „Ein erster Schritt wäre es, dass sämtliche zur Verfügung stehenden Energieressourcen so lange am Netz bleiben, wie es aus aktueller wirtschaftlicher Sicht nötig ist. Dazu gehört auch der Weiterbetrieb der noch laufenden AKWs.“
Die derzeitige Geschäftslage sieht der überwiegende Teil der Betriebe negativ. Zwar bewerten noch immer 22 Prozent der befragten Betriebe die derzeitige Geschäftslage als „gut“, 51 Prozent als „befriedigend“, doch 27 Prozent bewerten sie bereits als „schlecht“. Vor allem die Erwartungen der Geschäftsentwicklung haben sich weiter verschlechtert. So gehen nur noch 3 Prozent von einer eher günstigeren Geschäftslage aus, 70 Prozent dagegen erwarten eine weitere Verschlechterung.
Als größtes Risiko für die Geschäftsentwicklung in den nächsten 12 Monaten sehen die Betriebe auch weiterhin die Energie‑, Lebensmittel- und Rohstoffpreise, gefolgt von wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, Fachkräftemangel, Arbeitskosten und der Inlandsnachfrage. „Insbesondere der Fachkräftemangel entwickelt sich zu einer zunehmenden Belastung für die Betriebe. Mittlerweile kann jeder vierte Ausbildungsplatz nicht mehr besetzt werden. Das ist ein Problem, dass die anderen Krisenthemen noch überlagert und länger andauern wird. Das sollte für uns alle ein Alarmsignal sein. Politik und Bildungseinrichtungen müssen noch besser über die vielfältigen Möglichkeiten einer dualen Ausbildung informieren“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Max-Martin Deinhard.
Als Reaktion auf die steigenden Energiepreise versucht ein Großteil der befragten Betriebe (59 Prozent), die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben. Gleichzeitig investiert mehr als die Hälfte der Betriebe in Energieeffizienzmaßnahmen. 42 Prozent der Betriebe im produzierenden Gewerbe müssten spätestens bei einer Drosselung der Gaszufuhr um 25 Prozent den Betrieb einstellen.
Als Konsequenz der unsicheren Zukunftsaussichten nimmt auch die Investitionstätigkeit der Betriebe ab. Nur noch 21 Prozent erwarten ein zunehmendes, 32 Prozent dagegen ein abnehmendes Investitionsniveau. Im Vorquartal glichen sich beide Positionen noch aus. Bei der Beschäftigungsentwicklung rechnen 71 Prozent der Befragten (Vorquartal: 74 Prozent) mit einer gleichbleibenden Zahl, 18 Prozent (Vorquartal: 12 Prozent) erwarten eine fallende Anzahl an Beschäftigten. 11 Prozent (Vorquartal: 14 Prozent) gehen von einem Zuwachs aus.
Im Exportbereich gibt es eine leicht positive Tendenz. 18 Prozent der exportierenden Unternehmen rechnen wieder mit einer Zunahme des Exportgeschäfts. Im Vorquartal waren dies noch 8 Prozent. Der Saldo aus Zu- und Abnahme verringert sich von ‑29 auf ‑14.
Die IHK hatte im Rahmen ihrer aktuellen Konjunkturumfrage zum Ende des dritten Quartals mehr als 250 Unternehmen aus der Industrie, dem Einzel- und dem Großhandel, der Dienstleistungsbranche sowie aus dem Verkehrssektor der Region zu ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation und zu ihren Erwartungen an die kommenden Monate befragt.