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Ems: Deut­sche Umwelt­hil­fe reicht Kla­ge gegen Nie­der­sach­sen für sau­be­res Was­ser ein.

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• Etwa 95 Pro­zent der Ober­flä­chen­ge­wäs­ser im Ems-Gebiet ver­feh­len die Zie­le der Was­ser­rah­men­richt­li­nie; hohe Nähr­stoff­be­las­tung der Gewäs­ser ist eine zen­tra­le Ursache

• Zu viel Dün­ger aus der Land­wirt­schaft füh­ren in Seen und Küs­ten­ge­wäs­sern zu Algen­wachs­tum mit bedroh­li­chen Fol­gen wie Fischsterben

• DUH for­dert wirk­sa­me Maß­nah­men wie Redu­zie­rung der Tier­zah­len und mehr Platz für Gewässer

Der öko­lo­gi­sche Zustand der Ober­flä­chen­ge­wäs­ser im Ems-Gebiet ist alar­mie­rend: 95 Pro­zent der Ober­flä­chen­ge­wäs­ser ver­feh­len den gesetz­lich vor­ge­schrie­be­nen guten öko­lo­gi­schen Zustand. Einer der Haupt­grün­de dafür ist die Ver­schmut­zung der Gewäs­ser durch Nähr­stof­fe aus der Land­wirt­schaft. Die­se soge­nann­te Eutro­phie­rung bedroht Seen und Küs­ten­ge­wäs­ser und trägt signi­fi­kant zum Arten­rück­gang bei. Die Deut­sche Umwelt­hil­fe (DUH) hat daher eine Kla­ge für sau­be­res Was­ser beim Nie­der­säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in Lüne­burg gegen das Land Nie­der­sach­sen und das Land Nord­rhein-West­fa­len auf Grund­la­ge der Was­ser­rah­men­richt­li­nie ein­ge­reicht. Der Umwelt- und Ver­brau­cher­schutz­ver­band for­dert von den beklag­ten Bun­des­län­dern eine deut­li­che Redu­zie­rung der Tier­zah­len und eine flä­chen­ge­bun­de­ne Tier­hal­tung, eine bedarfs­ge­rech­te Dün­gung, mehr Raum für Gewäs­ser mit grü­nen Auwie­sen statt Acker­flä­che sowie die kor­rek­te und voll­stän­di­ge Aus­wei­sung stark belas­te­ter Gewässer.

Sascha Mül­ler-Kraen­ner, Bun­des­ge­schäfts­füh­rer der DUH kom­men­tiert: „Im Ems-Gebiet herrscht ein kata­stro­pha­ler Nähr­stoff­über­schuss und die Fol­gen zeig­ten sich ganz deut­lich im letz­ten Som­mer: Zahl­rei­che Gewäs­ser sind umge­kippt, Algen haben sich explo­si­ons­ar­tig ver­mehrt und die Öko­sys­te­me sind völ­lig aus dem Gleich­ge­wicht gera­ten. An den Küs­ten der Nord- und Ost­see sind sau­er­stoff­ar­me Todes­zo­nen ent­stan­den – Fisch­ster­ben und Ver­gif­tungs­ri­si­ken sind die Fol­ge. Mit unse­rer Kla­ge wol­len wir die Nähr­stoff­be­las­tung der Ober­flä­chen- und Küs­ten­ge­wäs­ser redu­zie­ren, um Kata­stro­phen in den Gewäs­sern in Zukunft zu ver­hin­dern. Wir for­dern von den Lan­des­re­gie­run­gen, end­lich ambi­tio­nier­te Maß­nah­men zur Nähr­stoff­re­du­zie­rung zu ergrei­fen. Dafür müs­sen die Tier­zah­len redu­ziert und den Gewäs­sern mehr Platz gege­ben wer­den. Vom Land Nie­der­sach­sen, das in sei­ner neu­en Lan­des­dün­ge­ver­ord­nung Novem­ber 2022 als ein­zi­ges Land die roten, nitratsen­si­blen Gebie­te trotz der ange­kün­dig­ten Straf­zah­lun­gen sei­tens der EU-Kom­mis­si­on von 24 Pro­zent auf 21 Pro­zent der land­wirt­schaft­li­chen Flä­che ver­klei­nert hat, for­dern wir eine kri­ti­sche Über­prü­fung die­ser neu­en Gebiets­ku­lis­se und eine ord­nungs­ge­mä­ße, ambi­tio­nier­te Neu­aus­wei­sung.“

Wie leicht Gewäs­ser in Zei­ten der Kli­ma­kri­se aus dem Gleich­ge­wicht zu brin­gen sind, zeig­te bei­spiel­haft das gro­ße Fisch­ster­ben im Müns­te­ra­ner Aasee 2018. Nach tage­lang hohen Tem­pe­ra­tu­ren und nur spär­li­chem Was­ser­aus­tausch waren die Sau­er­stoffstoff­wer­te im See auf eine töd­li­che Gren­ze abge­sun­ken. Ins­ge­samt muss­ten mehr als 20 Ton­nen tote Fische aus dem Was­ser abge­saugt werden. 

Haupt­ver­ur­sa­cher der Eutro­phie­rung sind Nähr­stoff­über­schüs­se aus der Land­wirt­schaft. Nähr­stof­fe wie Nitrat, Phos­phat und Ammo­ni­um kön­nen nicht mehr von Pflan­zen auf­ge­nom­men wer­den, son­dern wer­den in Grund- und Ober­flä­chen­ge­wäs­ser gelei­tet. Ins­be­son­de­re in Nie­der­sach­sen, Deutsch­lands Agrar­land Num­mer Eins, wer­den 60 Pro­zent der Flä­che land­wirt­schaft­lich genutzt. In der Weser-Ems-Regi­on liegt zudem das Zen­trum der nie­der­säch­si­schen Fleisch­pro­duk­ti­on. Infol­ge­des­sen fal­len mas­sen­haft Gül­le und Gär­res­te an. Um die­se bedarfs­ge­recht auf die Fel­der aus­zu­brin­gen, müss­te Nie­der­sach­sen etwa 200.000 Hekt­ar grö­ßer sein. 

Zuletzt hat die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on 2021 die Bun­des­re­gie­rung sowie die Bun­des­län­der auf­ge­for­dert, zur Umset­zung der EU-Nitrat-Richt­li­nie eine Neu-Aus­wei­sung der nitrat­be­las­te­ten und eutro­phier­ten Gebie­te vor­zu­neh­men. Die dar­auf­hin im Juni 2022 von der Bun­des­re­gie­rung vor­ge­leg­te Anpas­sung ent­täuscht jedoch und ent­hält zu vie­le Schlupflöcher.

Hin­ter­grund:

Deutsch­land tut seit Jah­ren zu wenig für den Schutz sei­ner Gewäs­ser und des Grund­was­sers. Seit mehr als 30 Jah­ren ver­stößt Deutsch­land gegen die Grenz­wer­te der EU-Nitrat-Richt­li­nie. Ein wei­te­rer Skan­dal: Selbst nach 20 Jah­ren Was­ser­rah­men­richt­li­nie, wonach alle Gewäs­ser schon bis 2015 einen guten öko­lo­gi­schen Zustand hät­ten auf­wei­sen müs­sen, ist die Errei­chung die­ses Ziels noch immer in wei­ter Fer­ne. Bereits 2018 hat die DUH das Recht auf Sau­be­res Was­ser bei der Bun­des­re­gie­rung und 2019 bei den Län­dern NRW und Nie­der­sach­sen ein­ge­klagt. Für die­se erwar­tet die DUH die Ver­hand­lung noch in die­sem Jahr. In der Zwi­schen­zeit haben die Län­der neue Maß­nah­men­pro­gram­me für die Umset­zung der Was­ser­rah­men­richt­li­nie erstellt und neue Dün­ge­ver­ord­nun­gen erlas­sen. Die­se rei­chen jedoch noch nicht aus, um gesun­de Gewäs­ser sicherzustellen.

Archiv­fo­to: Ingo Ton­sor @LeserECHO / Ems bei Weener


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