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Vollbremsung beim Wohnungsbau als Reaktion auf steigende Baukosten
Hannover/Bremen. Dem Wohnungsbau droht bei voller Fahrt eine Vollbremsung. Die sozialorientierten Genossenschaften und kommunalen Gesellschaften im Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (vdw) kündigen mehrheitlich an, neue Bau- und Modernisierungsvorhaben zurückzustellen oder sogar aufzugeben (siehe Grafiken). „Falls sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, rechnen wir mit einem Neubaurückgang in unserem Verband von jährlich bis zu 1500 Wohneinheiten ab 2023“, sagte vdw-Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt.
Gründe für die fatale Entwicklung sind der gravierende Anstieg der Baukosten, fehlende Baumaterialien, knappe Kapazitäten im Bauhandwerk, zu teure Baugrundstücke und mittlerweile auch die steigenden Hypothekenzinsen. Der immense Kostenanstieg bringt nicht nur künftige Projekte in Gefahr. Er stellt auch die Kalkulation von 3100 Neubauwohnungen und die Modernisierung* von 4900 Bestandswohnungen in Frage, die bereits geplant und in der Umsetzung sind; hinzu kommen annähernd 10.000 Wohnungen, bei denen Instandhaltungsmaßnahmen** vorgesehen sind. Dies hat eine Umfrage ergeben, an der sich 81 vdw-Mitglieder beteiligt haben.
vdw-Verbandsdirektorin Dr. Schmitt zeigte sich angesichts der Ergebnisse ernüchtert: „Knapp die Hälfte unserer Mitglieder hat sich an der Umfrage beteiligt. Man kann also davon ausgehen, dass die tatsächliche Zahl der betroffenen Wohneinheiten – sei es im Neubau, sei es bei der Bestandspflege – im Verbandsgebiet deutlich höher sein dürfte.“
Der Stimmungsumschwung in der sozialorientierten Wohnungswirtschaft kommt völlig unerwartet. Seit zehn Jahren steigen die Investitionen der Genossenschaften und Gesellschaften im vdw kontinuierlich. Insbesondere der Neubau hatte in der vergangenen Dekade mächtig zugelegt: 2011 wurden 105,7 Millionen Euro investiert, 2021 waren es 773,0 Millionen Euro.
Dieser Aufwärtstrend wird jetzt jäh abreißen. „Am schlimmsten betroffen von dieser Entwicklung sind die Haushalte mit kleineren Einkommen, die auf gute und bezahlbare Wohnungen angewiesen sind: Familien, Alleinerziehende, Senioren, Berufsanfänger und viele mehr“, sagte Dr. Schmitt. Denn an den Verhältnissen an den Wohnungsmärkten habe sich nichts geändert. Weiterhin sei die Nachfrage nach preisgünstigen Wohnungen hoch, und das Angebot reiche landauf, landab nicht aus. „Unsere Mitgliedsunternehmen haben immer ihren Beitrag für einen sozialen Wohnungsmarkt geleistet, und sie würden dies gerne auch künftig tun. Aber Wohnungen für viel Geld zu bauen und anschließend für sieben oder acht Euro pro Quadratmeter zu vermieten, ist eine Rechnung, die schlicht nicht mehr aufgeht.“
Umfrage zur Heizkostenvorauszahlung
Der vdw hatte seine Mitglieder auch nach den Folgen der steigenden Energiepreise gefragt: 51 Unternehmen werden als Reaktion die Heizkostenvorauszahlung erhöhen, 17 Unternehmen haben dies bereits getan – im Schnitt um rund 30 Prozent. Dazu Dr. Susanne Schmitt: „Unsere Mitglieder handeln sehr umsichtig im Sinne ihrer Mieter. Die steigenden Preise bei Gas, Heizöl und Strom werden natürlich auch das Wohnen verteuern, wobei man deutlich machen muss, dass die Vermieter die Energiekosten nur an die Versorgungsunternehmen weiterleiten. Damit die Mieterhaushalte bei der Jahresabrechnung im kommenden Jahr finanziell nicht überfordert werden, machen höhere Abschläge Sinn.“
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